Jahresrückblick – Ostfildern im Jahr 2021

Ostfildern … Zum Jahresabschluss des Ostfilderner Gemeinderats, der am 15. Dezember 2021 im Theater an der Halle in Nellingen stattfand, hielt Oberbürgermeister Christof Bolay eine Rede, deren Manuskript die Stadt Ostfildern hier im Wortlaut als Jahresrückblick für die WILIH-Leser zur Verfügung stellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wie viele Reden haben in der letzten Zeit so begonnen: Eigentlich war das ganz anders geplant… Aber ich will mich nicht beim Jammern oder gar Klagen aufhalten. Sondern einen Rückblick auf ein bewegtes Jahr halten. Und sicher auch einen Blick nach vorne ins Jahr 2022 wagen.

Zunächst einmal freue ich mich einfach, dass ich heute vor Ihnen stehen darf. Denn das ist auch eine Folge des 7. Februar. Zum dritten Mal ist es mir gelungen, eine deutliche Mehrheit in Ostfildern davon zu überzeugen, mir ihr Vertrauen als Oberbürgermeister zu schenken. Ich empfinde das wirklich als Geschenk. Und werde weiterhin sehr sorgsam damit umgehen. Durch die lange Amtszeit von acht Jahren, die enorme Aufgaben-, manche sagen auch Machtfülle dieses Amtes und die besonderen Erwartungen aus der Bürgerschaft, ist es mir immer wichtig, mein Amt mit Mut und Demut auszuüben. Die Worte des Amtseids, wo es um das Wohl der Stadt und das ihrer Einwohnerinnen und Einwohner geht, stehen mir dabei immer vor Augen.

Einen Wechsel gab es auch in Ihren Reihen. Herr Dr. Hohenberger hat in der letzten Sitzungsrunde sein Mandat bereits wieder aufgegeben. An seiner Stelle dürfen wir nun jeweils Frau Fleischhacker begrüßen. Ich habe es bereits letzte Woche gesagt, wiederhole das aber auch heute gerne: Wir bieten Ihnen eine gute, vertrauensvolle und kompetente Zusammenarbeit an und sind gespannt auf Ihre Einschätzungen zu den vielen Sachfragen der Stadt.

Die Menschen haben noch zwei weitere Male dieses Jahr gewählt. In Baden-Württemberg wurde der Ministerpräsident bestätigt. Und im Bund kam es zu einem historischen Augenblick. Zum ersten Mal eine Wahl ohne Amtsbonus eines Kanzlers oder einer Kanzlerin. Die ebenfalls historische Folge der ersten Ampelkoalition ist uns allen bewusst und seit ein paar Tagen auch vollzogen.

So gab es also an der jeweiligen Spitze sowohl Kontinuität in der Stadt wie im Land als auch den Wechsel, nämlich im Bund. Wobei es in meiner Erinnerung noch nie so viele Stimmungswechsel in so kurzer Zeit gegeben hat wie 2021. Es gab die grüne Kanzlerinnenhoffnung im Frühsommer. Die schwarze Dämmerung im Sommer. Und das rote Comeback im Spätsommer. So hat es zumindest die Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Wahlanalyse benannt. Es zeigt aber auch, dass Vertrauen schwer aufzubauen und schnell zu verspielen ist. Kleine Fehler im Lebenslauf, ein Lachen zur völlig falschen Zeit, und schon ist ein Wendepunkt erreicht. Ein Wendepunkt, der dann mit ungeheurer Dynamik Realitäten – oder zumindest Wahrnehmungen – verändert.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich drei Schlüsselbegriffe nennen, unter die ich meine Rede stellen will. Respekt, Zuversicht, Zukunft.

Respekt verdienen sich alle Menschen, die in diesen Monaten – ja mittlerweile fast schon Jahren – des Ausnahmezustands in allen Bereichen der Pflege unterwegs sind. Die die Schulen und Kitas am Laufen halten. Die in den Impfzentren Tag für Tag alles geben. Aber auch die Kolleginnen und Kollegen, die im Verwaltungsstab der Stadt diese besondere Verwaltungsaufgabe wahrgenommen haben. Egal ob Werktag oder Wochenende. Oder die die Testzentren kurzfristig organisiert haben. Respekt habe ich aber auch vor allen, die sich um das große Thema Inklusion kümmern. Wir haben bei der Einweihung des Kunstrasens in Nellingen gesehen, wie selbstverständlich das sein kann. Aber eben allzu oft noch nicht ist. Und Respekt habe ich natürlich auch vor den Menschen, die bei der ersten stadtweiten Putzete mitgeholfen haben, unser Stadtbild zumindest für eine Zeit sauberer werden zu lassen. Nicht zu vergessen, dass es uns erneut gelungen ist, als Fair-Trade-Stadt ausgezeichnet zu werden. Das sind alles ganz unterschiedliche Felder. Aber eines vereint sie dann eben doch: ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Eine besondere Hingabe an die Aufgabe. Und der Blick weg vom eigenen Ich hin zum anderen, dem Mitmenschen.

Ostfildern kann zurecht stolz sein auf seine lange Tradition der Altenhilfe. Das ist dieses Jahr wieder sehr deutlich geworden als wir das Haus Liselotte in Ruit einweihen konnten. Ich habe ehrlich gesagt noch nie von einem vergleichbaren Modell gehört. Eine Stiftung baut hochmoderne und hochwertige Wohnungen für Pflegepersonal, das bei einer anderen Stiftung angestellt ist. Und noch dazu werden die Mieten so verbilligt, dass sie unabhängig von der Einkommenssituation tragbar sind. Ganz ehrlich, jedes Mal, wenn ich dort vorbeikomme, bin ich sehr stolz auf dieses Leuchtturm-Projekt. Denn es realisiert ein Leitmotiv, das in einem Brief an die Mitglieder des Vereins „Sofia“ zitiert wurde. „Wir gewinnen im Alter zwar nicht an Wert wie eine Antiquität, doch wir verlieren auch nicht an Wert wie ein Gebrauchsgegenstand.“ Diese Grundidee begleitet uns und wird uns auch weiter begleiten. Denn sie hat genau den Respekt, von dem ich gerade eben gesprochen habe.

Zuversicht gibt mir vieles, was ich in unserer Stadt wahrnehme. Sei es bei den Jugendlichen. Beispielsweise dem ungebrochenen Zulauf, den der Sommerleseclub der Stadtbücherei hat. Den wir ja mittlerweile zum zehnten Mal durchführen konnten. Oder das engagierte Team der Jugendlichen, die das Thema der Jugendbeteiligung voranbringen wollen und werden. Nicht zuletzt die vielen aktiven Klimaschützerinnen und -schützer, die vieles in ihrem Leben noch vor sich haben. Aber sich in einer Vielfalt und Dimension einbringen, wie wir das lange nicht mehr erlebt haben. Aber auch bei den Älteren gibt es mir Zuversicht, wie viele sich bürgerschaftlich in Ostfildern einbringen. Im Lockdown war es kein Problem, eine Aktion „Wir helfen Ostfildern“ aus der Taufe zu heben. Oder durch stundenlange Telefonate und Internet-Geduld Impftermine für Senioren zu organisieren. Zu einer Zeit, als man zwölfstellige Vermittlungscodes dazu brauchte.

Ein guter Vorrat an Zuversicht ist sicher für uns alle nötig, um die Herausforderungen der Zukunft anzunehmen.

Apropos Zukunft. Die spannende politische Zukunft in Berlin mit dem neuen Kanzler Olaf Scholz habe ich bereits erwähnt. Aber auch wir in der Stadt bereiten uns auf die Zukunft vor. Im Bereich der Mobilität beispielsweise. Die Regio-Rad-Stationen am Kreuzbrunnen und am Rathausplatz in Scharnhausen sind in Betrieb, und das Konzept nimmt langsam Formen an. Ich habe von einer spannenden Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik gelesen. Der Titel ist „Mit dem Rad zum Einkaufen“. Ich zitiere einen Kernsatz: „Radfahrer tätigen prozentual häufiger Einkäufe mit einem Warenwert ab 100 Euro und kaufen vielfach hochwertigere Produkte als andere Kundengruppen.“ Das heißt, sie stärken auch den Fachhandel vor Ort, weil sie nicht für ein vermeintliches Schnäppchen woanders hinfahren. Die Studie geht sogar noch weiter. Niemand von Ihnen wird jetzt hoffentlich Schnappatmung bekommen, denn es geht darum, Autostellplätze für Radfahrer aufzugeben. Das vergrößert nicht nur die Aufenthaltsqualität in den Ortskernen, sondern sie sind auch als Kunden interessant. Noch ein letztes Zitat: „Auf einem Parkplatz lassen sich sechs bis acht Fahrräder unterbringen und die haben eine ganz andere Portemonnaie-Dichte als ein Auto.“ Ich bin gespannt, ob sich solche Gedanken bei den anstehenden Diskussionen wiederfinden.

Auch die Klimafrage als die größte Herausforderung heute haben wir angenommen. Die Stelle der Klimaschutzmanagerin ist wieder besetzt. Ein kleines Jubiläum konnte die Bürgerenergiegenossenschaft feiern. Sie besteht seit zehn Jahren. Und der ehrenamtliche Vorstand hat seitdem so viel Kapazität aufgebaut, dass hundert Vier-Personen-Haushalte das ganze Jahr mit Energie versorgt werden können. Wir sind natürlich weiter auf der Suche nach Dachflächen, aber es ist eben schon jetzt ein wichtiger, ja unverzichtbarer Baustein der Energiewende vor Ort.

Praktische Zukunft spiegelt sich in der Sanierung wider. Dabei geht es nicht nur um Gestaltung. Sondern um Wohnen, Arbeiten, Leben. Und vielleicht auch Erleben. Wir arbeiten an mancherlei Konzepten. Sportentwicklung, Integration, Stadtentwicklung. Wir haben in einer Klausur der Führungskräfte der Verwaltung einmal alle laufenden Prozesse nebeneinander gelegt. Und festgestellt, wo das eine ins andere greift. Und ja, auch greifen muss. Wie wir Dinge organisieren, ohne sie doppelt zu machen. Wenn wir Ihnen Schritt für Schritt diese Ideen vorstellen, werden das sicher auch spannende Diskussionen im Gemeinderat werden.

Meine Damen und Herren, wenn man auf das Jahr schaut, dann kommt irgendwann dann doch einmal das große Aber. Aber – und jetzt muss ich es eben doch noch einmal erwähnen – über allem schwebt Corona. Es gibt schon auch eine richtig große Rubrik „Schade“. Schade, dass 901 Jahre Nellingen endgültig nicht stattfinden konnte. Schade, dass die Seniorennachmittage entfallen sind. Schade, dass nachher unser gemütliches Beisammensein ausfallen muss. Schade, dass die Infofahrt des Gemeinderates einmal mehr verschoben wurde. Schade, dass es keinen Neujahrsempfang geben wird. Aber halten Sie sich doch bitte bereits jetzt den Sonntag, 24. Juli frei. Da sind Sie schon heute zum ersten Sommerempfang der Stadt Ostfildern eingeladen. Und wer weiß, vielleicht etabliert sich da ja auch eine ganz neue Tradition.

Meine Damen und Herren, für die Verwaltung sind diese Zeiten auch besonders herausfordernd. Zum einen, was die sich rasant veränderten Anforderungen angeht. Und zum anderen trifft uns der Fachkräftemangel mit voller Wucht. Wie oft müssen wir Stellen mehrfach ausschreiben.

Als Arbeitgeber treffen uns drei große Herausforderungen. Selbst wenn wir heute freie Stellen haben, ist es – wie gerade erwähnt – schwierig, die auch zu besetzen. Und gleichzeitig müssen wir aufpassen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wir haben, nicht zu viel zuzumuten. Denn die Tendenz gibt es ehrlicherweise. Wer viel zu leisten imstande ist, bekommt eher noch mehr aufgebürdet.

Der Bürgerservice ist als zweites beispielsweise ein Bereich, der fortlaufend modernisiert wird. Durch neue gesetzliche Anforderungen, durch die Datenschutzfragen, die uns pausenlos beschäftigen. Und durch neue Möglichkeiten, wie das geplante Abholterminal für Ausweise und andere Dokumente. Das wollen wir am Stadthaus installieren.

Und über allem steht die dritte Herausforderung, uns als attraktiver und moderner Arbeitgeber zu positionieren. Dazu dient sicher auch, dass wir mit dem Betriebsarzt kurz vor den Feiertagen eine Booster-Impfung anbieten können. Die Rückmeldungen aus der Mitarbeiterschaft dazu waren durch die Bank positiv. Auch was das mobile Arbeiten angeht, haben wir aus den langen Homeoffice-Phasen viel gelernt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie erinnern sich an den Anfang meiner Rede: eigentlich war das alles ganz anders geplant.

Zum Schluss steht mein herzlicher Dank an Sie. Gemeinderätin oder Gemeinderat zu sein, ist schon in normalen Zeiten nicht einfach. Während einer Pandemie noch einmal mehr. Daher habe ich größten Respekt vor Ihrem Einsatz. Wir haben gemeinsam die Stadt gut durch den Corona-Sturm geführt. Und daneben wichtige Entscheidungen auf den Weg bringen können. Daher sehe ich auch dieses Jahr bei allen Schwierigkeiten als ein erfolgreiches Jahr für unsere Stadt Ostfildern an.

Sie kennen die Vielfalt der Themen, mit der sich der Gemeinderat im Lauf eines Jahres auseinandersetzen muss. Flächennutzungsplanung mit einem spannenden regionalen Ausblick im Sommer. Vor wenigen Wochen unsere Immobilienklausur mit der Erkenntnis, dass hier gewaltige Aufgaben auf die Stadt warten. Der Bau der neuen Sporthalle, die wir immer noch Sporthalle 1 nennen, die aber vielleicht doch mal einen anderen Namen braucht. Die Entscheidung zur Schule im Park. Unser Ziel, das neue Gewerbegebiet Scharnhausen West CO2-neutral zu machen. Die Anstrengungen, in der ganzen Stadt ein Glasfaser-Angebot machen zu können. Die Fragen des angemessenen Wohnens, die uns bei Ob der Halde stark beschäftigt haben. Die Liste wäre eigentlich noch sehr viel länger.

Keiner schafft solche Dinge alleine. Sondern das geht immer nur zusammen. Zusammen mit der Verwaltung. An der Stelle darf ich mich bei Herrn Lechner und Frau Bader für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Zusammen mit allen Fachbereichen. Da geht mein Dank an jeden und jede an der jeweiligen Stelle. Mir ist sehr bewusst, wie unglaublich vielfältig und manchmal auch kleinteilig unsere Aufgaben sind. Daher brauchen wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die engagiert, motiviert und kompetent ihre Aufgaben wahrnehmen.

Zusammen heißt natürlich auch mit Ihnen. Und Ihren Familien. Denn die will ich in den Dank ausdrücklich einbeziehen. Keine politische Ebene ist so nahe bei den Menschen wie die Kommunalpolitik. Das heißt aber eben auch, dass man beim Bäcker, beim Vereinsstammtisch oder am Telefon auf sehr viele Sachen angesprochen wird. Sachen, über die Sie hoffentlich gut genug Bescheid wissen. Aber immer wieder auch Sachen, wo Sie sich selber erst kundig machen müssen. Das alles bedeutet Kraft, Energie und Zeit. Kraft, Energie und Zeit, die Sie dann an anderer Stelle eben nicht einsetzen können. Daher kann die Stadt froh und stolz sein, einen Gemeinderat vor sich zu wissen, der das Wohl der Stadt im Auge hat und gute Entscheidungen auf der Grundlage guter Vorbereitung durch die Verwaltung trifft.

Und da so ein Blick zurück ja immer auch ein wenig nach vorne geht, wünsche ich mir und uns natürlich, dass dieser Geist der Zusammenarbeit auch im neuen Jahr erhalten bleibt. Denn die Herausforderungen werden nicht weniger werden. Und wir werden sie ohne Zögern angehen. Im Selbstvertrauen auf das Erreichte, im Vertrauen auf die jeweiligen Kompetenzen des anderen und im Gottvertrauen, dass wir in diesem Universum nicht alleine sind.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien einen erfolgreichen, gesunden Start in das neue Jahr.

Quelle und Foto: Stadt Ostfildern

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