Die Schulbank gedrückt – Folge 2: Hedelfingen

Lebendige Ortsgeschichte (Folge 22). Historisches aus und über Hedelfingen – unterhaltsam erklärt von Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer … Über Hedelfingen gibt es viel zu erzählen. Besonders gut und gerne tun dies der ehemalige Hedelfinger Bezirksvorsteher Hans-Peter Seiler und Hedelfingens Ortshistoriker Michael Wießmeyer. Seit Jahren begeistern die beiden Hedelfingen-Fans bei Vorträgen und Führungen ein stetig wachsendes Publikum mit ihren Geschichten über die Geschichte des vor gut hundert Jahren von Stuttgart eingemeindeten Neckarvororts. WILIH veröffentlicht hier eine Serie mit vielen interessanten Blicken auf die Historie Hedelfingens. In loser Folge wollen die Geschichten-über-Geschichte-Erzähler Seiler und Wießmeyer an dieser Stelle Lust auf Hedelfingen machen.

Thema dieser Folge: Die Schulbank gedrückt – Wieso Hedelfingen und Rohracker so viele Schulhäuser bekamen (Folge 2: Hedelfingen)

Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Fotos
Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Dokumenten

In Folge 1 haben wir berichtet, wie sich die Schulgeschichte vom Mittelalter bis in die heutige Zeit entwickelt hat. Hedelfingen ist im Bildungswesen vorangegangen und hatte seinen ersten Schulunterricht bereits seit 1552. Die Schule war im Rathaus untergebracht. Der Schulunterricht im Untergeschoss des 1510 erbauten einstöckigen Rathauses, das mitten auf der heutigen Kreuzung Amstetter Straße – Friedrichshafener Straße – Heumadener Straße, also vor dem heutigen Bezirksrathaus, stand, war von 1552 bis 1559 eine reine Winterschule. Schulmeister war der Büttel oder Mesner. Ab der Württembergischen Großen Kirchenordnung wurde die Ganzjahresschule eingeführt. Der Unterricht durch den Büttel oder Mesner oder andere ungeeignete Personen war untersagt. Vorher waren diese Männer noch Respektspersonen.

Ab 1559 wurde Daniel Bollinger, Sohn des Pfarrers aus Wangen, Schulmeister. Seit 1585 unterrichtete der Schulmeister mit seinem Lehrgehilfen in seinem eigenen Haus, wofür er von der Gemeinde 1 Pfd. Heller erhielt. Es wurde in zwei Stuben unterrichtet. Wo dieses zweite Schulhaus war, wissen wir leider nicht.

Das dritte Schulhaus in Hedelfingen befand sich von 1668 bis 1820 „Im Gässle”. Das Gässle ist heute noch eine Fußwegverbindung von der Gärtnerstraße zur Fruchtstraße.

Schulhaus im Schulwinkel mit Industrieschule für Mädchen 1820
Schulhaus im Schulwinkel mit Industrieschule für Mädchen 1820

1820 wurde das vierte Schulhaus im Schulwinkel bezogen. Es war für damalige Verhältnisse ein stattliches Schulhaus. Bei ca. 1.100 Einwohnern war das Gebäude modern und großzügig. 150 Schüler gingen dort zur Schule. Eine „Industrieschule für Mädchen“ war angegliedert. Heute würde man Handarbeitsschule oder Textiles Werken sagen. Bis 1903 war die Schule in Betrieb. Heute ist dieses Schulhaus ein Wohnhaus.

1875 5. Schulhaus + Kleinkinderschule
Schulhaus und Kleinkinderschule an der Fruchtstraße 1875

1875 wurde das fünfte Schulhaus oberhalb der neuen Kelter gebaut. Die Einwohnerzahl war innerhalb von 50 Jahren bereits auf 1.600 hochgeschnellt, und es waren 240 Schüler zu unterrichten. Wieder brauchte man einen Neubau. Ein weiterer Schulsaal und ein Raum für die Kleinkinderschule sowie zwei Lehrerwohnungen wurden in diesem Gebäude an der heutigen Fruchtstraße 4 untergebracht. Beide Schulhäuser waren gleichzeitig in Betrieb. Drei ständige und ein unständiger Lehrer sind angestellt. Im Winter wird abends eine Fortbildungsschule gehalten (ein Vorläufer der Volkshochschule). Heute befindet sich in diesem Gebäude eine Kindertagestätte.

Demonstration vor der Alten Schule
1972 wurde in Hedelfingen demonstriert

Am Hedelfinger Platz wird im November 1903 das sechste Schulgebäude der Gemeinde eingeweiht. Es hatte für das Schulwesen in Hedelfingen eine große Bedeutung. An der früheren Stuttgarter Straße im damals grünen Teil von Hedelfingen wurde das Bauwerk erstellt. Sieben Klassenzimmer und ein Lehrerzimmer sowie eine Hausmeisterwohnung im Dachgeschoss waren nun vorhanden. Bald wird auch diese Schule am heutigen Hedelfinger Platz zu klein. 1928 ist der Schulanbau fertig. Sechs weitere Schulräume, ein Zeichensaal, ein Werkraum und eine Schulküche sind nun mit dabei.

Mit dieser Schule kann Hedelfingen auf 470 Jahre Schulgeschichte blicken. 

Blick auf den Rohbau der Steinenbergschule 1978
Rohbau der Steinenbergschule 1978

Der Hedelfinger Platz ist inzwischen eine vom Straßenverkehr beherrschte große Straßenkreuzung. Die Schule ist vom Verkehrslärm umtost. Dies veranlasste die Elternschaft, um einen neuen Schulstandort zu kämpfen. Lärm und Abgase sollte es dort nicht geben. Mit Demos und Protesten und dem berühmten „Hedel-Finger” (einer Hand mit erhobenem Zeigefinger) überzeugte die Elternschaft die Stadtoberen vom Bau einer neuen Schule, droben am Steinenberg; wieder im Grünen.

Seit der Eingemeindung hat die Stadt Stuttgart ein Schulzentrum bauen wollen und bis heute lediglich eine Grund- und Hauptschule, später eine Werkrealschule, realisiert. Derzeit befindet sich nur noch eine Grundschule auf dem Steinenberg sowie eine Kindertagesstätte. Die Hauptschule und die Werkrealschule gibt es in Hedelfingen nicht mehr.

Der Förderverein Schulcampus Hedelfingen e.V. arbeitet daran, bei dieser siebten Schule im Ort eine weiterführende Schule, ein Gymnasium, nach Hedelfingen zu holen. Das große Gelände bietet die Möglichkeit dazu. Dort war nämlich früher die Lehmgrube der Dampfziegelei.

Auf der Homepage der Steinenbergschule in Stuttgart-Hedelfingen ist zu lesen: „Wir sind eine Ganztagsgrundschule in gebundener Form mit aktuell 200 Schülerinnen und Schülern. Den Ganztag gestalten wir gemeinsam mit den pädagogischen Fachkräften der „Stuttgarter Jugendhaus gGmbh (STJG)“, worüber auch unsere Schulsozialarbeit eingebunden ist.

Die Schule liegt traumhaft gelegen oberhalb des Neckars, umgeben von Kleingartenanlagen und einem Park – dies alles mitten im Grünen!

Unser Leitfaden lautet daher auch „Lernen und Leben miteinander im Grünen“. Wir beziehen unsere naturnahe Umgebung täglich in unsere Lehr- und Lernprozesse ein durch Themenangebote, bewegte Pausen und diverse Sportangebote.

Unsere besonderen Schwerpunkte setzen wir neben dem schulischen Lernen u.a. auf individualisierte Lernangebote, Medienerziehung, Kunst, unseren Chor und Demokratieerziehung. In unserem Steinenbergrat bahnen wir die Kinderbeteiligung und somit das Leben in einer Demokratie für alle am Schulleben Beteiligten an. Die Pausenengel – dies sind ausgebildete Schülerinnen und Schüler – unterstützen in den Pausen beim Lösen von Konflikten. Vervollständigt wird unser Angebot durch diverse Sportangebote wie Flag-Football, Schwimmen ab Klasse 3 u.v.m.

Unser Schulteam setzt sich aus Lehrerinnen und Lehrern, pädagogischen Fachkräften, Schulsozialarbeiterinnen, Schulverwaltung und Hausmeister sowie zahlreichen externen Kooperationspartnern zusammen. Nicht zu vergessen ist dabei „Steini“, unser lebendes Schulmaskottchen.”

Soweit die Homepage der Schule. Bei diesem tollen Schulstandort darf es nicht schwerfallen, die Hedelfinger Schulgeschichte nach mehr als 472 Jahren fortzuschreiben!

Das Foto oben zeigt den Umzug in die Steinenbergschule 1979 – Aufbruch in die Jetzt-Zeit.

WILIH dankt Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer für diese Geschichte. Die historischen Fotos und Dokumente stammen aus dem Fundus des Alten Hauses Hedelfingen.

Nächstes Thema dieser Serie: Schulgeschichten aus dem vorigen Jahrhundert


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