Flüchtlingsdorf Sillenbuch – Neue Infos, neue Fragen

Stuttgart-Sillenbuch … Die Stadt Stuttgart plant die Errichtung von Wohnmodulen für bis zu 92 Menschen auf dem Parkplatz am Höhenringweg. Wo sollen dann Friedhofsbesucher bei Beerdigungen parken, wollte WILIH wissen. Kein Problem, sagt die Stadt. Und: Das Flüchtlingsdorf sei sowieso nur ein Interim für zwei Jahre.

Diese Information ist neu. In der städtischen Gemeinderatsdrucksache 167/2025 (PDF hier), in der die geplanten neuen Standorte vorgestellt werden, ist von einer so engen zeitlichen Begrenzung nicht die Rede. Vielmehr heißt es dort: „Aus baurechtlicher Sicht kann das Vorhaben für einen befristeten Zeitraum von 3 Jahren genehmigt werden.” Am 19. März steht das Thema auf der Tagesordnung der öffentlichen Sitzung des Sillenbucher Bezirksbeirats (WILIH-Ankündigung hier).

Kein Ersatz für wegfallende Parkplätze

„Die Parkplatzsituation wurde bei der Planung der Flüchtlingsunterkunft in der Kirchheimerstraße berücksichtigt“, teilt Frederike Myhsok auf Anfrage von WILIH mit. Die Pressesprecherin der Stadt Stuttgart erklärt die Sicht der Stadtverwaltung: „Bei der Prüfung ergab sich, dass die Parkmöglichkeiten im Umfeld des Friedhofs den Wegfall der Friedhofsparkplätze kompensieren kann. Hierzu gehören die P&R Parkplätze in unmittelbarer Nähe des geplanten Standortes.”

Dies mag an ganz normalen Tagen ausreichen, wenn gelegentlich mal ein paar Friedhofsbesucher mit dem Auto kommen, um zum Beispiel ein Grab zu pflegen. Doch reichen die von der Stadt vermuteten Parkkapazitäten auch bei Beerdigungen beziehungsweise Trauerfeiern mit vielen Trauergästen aus? Der Ostfilderfriedhof ist zwar gut mit der Stadtbahn zu erreichen. Doch kommen immer wieder auch Trauergäste von weit her mit dem Auto nach Sillenbuch. Für Ortsunkundige bietet der Platz, der nun bebaut werden soll, eine willkommene, nahegelegene Parkmöglichkeit. Folgerichtig bezeichnet die Stadt den Platz in ihrer jetzigen Vorlage als „Parkplatzfläche für den angrenzenden Ostfilderfriedhof”.

Zwar soll der jetzige Parkplatz sowieso bebaut werden, nämlich mit einem großen Feuerwehrhaus. Bis dies gebaut wird (ab Mitte 2028), soll aber eigentlich das Bürger- und Veranstaltungszentrum nahezu fertig sein (Ende 2028 bis Anfang 2029). Darunter wird sich eine Tiefgarage befinden, die auch Friedhofsbesuchern zur Verfügung steht.

24 Wohnmodule für lediglich 24 Monate?

Im Zusammenhang mit der Parkplatzfrage teilt die Stadtsprecherin gegenüber WILIH nun mit, dass das zuständige Referat „die Nutzungsdauer auf zwei Jahre” schätzt, „so dass der Standort eine Interimsnutzung darstellt”.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die angegebenen Baukosten von 6,382 Millionen Euro in einem neuen Licht. Auf zwei Jahre und maximal unterzubringende 92 Geflüchtete errechnet sich für ein zweijähriges Interim ein Baukostenanteil von knapp 69.400 Euro pro Person. Die Stadt Stuttgart behauptet, dass die aufzustellenden Wohnmodule nachhaltig seien, also wieder ab- sowie woanders aufgebaut und an anderer Stelle erneut zu Wohnzwecken genutzt werden können. Teilt man den städtischen Optimismus, wären im jetzigen Sillenbucher Fall von den Gesamtkosten 4,59 Millionen Euro für den Gebäudeanteil abzuziehen. Damit verblieben aber immer noch 1,792 Millionen Euro – rechnerisch wären dies bei durchgängiger Vollbelegung mit 92 Menschen Kosten von netto 811 pro Monat und Bewohner in Sillenbuch, nur für den Baukostenanteil, ohne Betriebskosten, ohne Betreuung, ohne Abbau und Abtransport nach Ende der Nutzungszeit. Zum Vergleich: Beim Neubauvorschlag für Hedelfingen käme man bei – in der Bezirksbeiratssitzung am 11. März genannten – sechs Jahren Nutzungszeit auf gut 243 Euro pro Person und Monat.

Die nun auch für Sillenbuch vorgeschlagenen Wohnmodul-Unterkünfte sind in Stuttgart erst seit wenigen Monaten im Einsatz. So wurden nach der ersten Anlage ihrer Art in Plieningen (Vorstellung im WILIH hier) im vergangenen Jahr im WILIH-Land zunächst in Hedelfingen (bis zu 124 Plätze an der Amstetter Straße) solche Wohnungen aufgebaut. Zur Zeit erfolgt ein gleichartiger Ausbau des Asyldorfs in Heumaden „Über der Straße” (bis zu 280 Plätze an der Kirchheimer Straße). Folgen sollen entsprechende Wohnmodule in Wangen (bis zu 92 Plätze an der Wasenstraße). Den städtischen Plan, die Dürrbachwiese in Hedelfingen ebenfalls so zu bebauen (bis zu 156 Plätze an der Rohrackerstraße), ist vom dortigen Bezirksbeirat erst einmal abgelehnt worden (WILIH berichtete über die denkwürdige Sitzung hier).

Sollten oberhalb des Sillenbucher Höhenringwegs tatsächlich ab etwa Frühjahr 2026 Geflüchtete wohnen, dies aber lediglich zwei Jahre lang, dann dürften wohl etwa Mitte 2028 die dortigen 24 Wohnmodule wieder abzubauen sein. Würde Sillenbuch dann das Stuttgarter Pilotprojekt für einen Nachhaltigkeitstest der Holzbauten?

Bürger- und Veranstaltungszentrum erst später?

Und welche Auswirkungen hätten die geplanten Geflüchtetenunterkünfte auf das benachbarte Bauvorhaben? Anstelle des oberen Park & Ride Parkplatzes – über dem „Friedhofsparkplatz” – soll nämlich das langersehnte Sillenbucher Bürger- und Veranstaltungszentrum einschließlich Bezirksamt gebaut werden (WILIH berichtete über den Neustart des Projekts 2022 hier). Geplanter Baustart: Anfang 2027. Im städtischen Papier zur neuen Tranche der Geflüchtetenunterbringung findet sich dazu kein Wort.

Stimmt der Sillenbucher Bezirksbeirat und anschließend der Stuttgarter Gemeinderat dem Bau eines Flüchtlingsdorfes beim Ostfilderfriedhof zu, könnte der Start der Baustelle des Bürger- und Veranstaltungszentrums mit den dann bezogenen Wohnmodulen kollidieren. Erschwerend käme hinzu, dass der Park & Ride Parkplatz bei der Stadtbahnhaltestelle Schemppstraße laut Stadt weiterhin (auch) den Friedhofsbesuchern zur Verfügung stehen soll. Wie soll unter diesen Bedingungen die Baulogistik für das Bürger- und Veranstaltungszentrum funktionieren?

Droht Sillenbuch somit womöglich ein weiteres Mal eine Verschiebung des Projekts „Bürger- und Veranstaltungszentrum”? Und käme es dann möglicherweise später auch noch zu einer Terminkollision mit dem Bau des Feuerwehrhauses – wenn die Geflüchtetenwohnungen umgezogen sein werden? Der Bau des Feuerwehrhauses soll nämlich nicht verschoben werden. Das ist in der Gemeinderatsdrucksache zur Flüchtlungsunterbringung explizit ausgeschlossen.

Der oben abgebildete Plan entstammt der Gemeinderatsdrucksache 167/2025 der Stadt Stuttgart


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Ein Gedanke zu „Flüchtlingsdorf Sillenbuch – Neue Infos, neue Fragen

  • Wer glaubt, dass diese „Module für Geflüchtete“ tatsächlich nur 2 Jahre stehen und dann wieder abgebaut werden, der hat noch immer nichts gelernt aus ähnlichen vergangenen „Versprechen“:
    So war die Rede davon, dass das (ehemalige) weiße Haus Ecke Dreizlerstraße/Kappstraße/Am Sonnenweg am Waldrand in Heumaden und die 3 gegenüber der Haltestelle Bockelstraße für Asylanten gebauten Häuser auch nur „vorübergehend“ stehen würden! Dieser vorübergehende Zeitraum dauert geschätzt schon zwischen 10 und 20 Jahren, und diese genannten Häuser werden dauerhaft bewohnt und werden auch dauerhaft stehen bleiben.
    Ich traue keinem schwarz auf weiß gedrucktem Buchstaben mehr.

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