Warum Hedelfingen ein neues Rathaus bekam

Lebendige Ortsgeschichte (Folge 8). Historisches aus und über Hedelfingen – unterhaltsam erklärt von Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer, [post_published] … Über Hedelfingen gibt es viel zu erzählen. Besonders gut und gerne tun dies der ehemalige Hedelfinger Bezirksvorsteher Hans-Peter Seiler und Hedelfingens Ortshistoriker Michael Wießmeyer. Seit Jahren begeistern die beiden Hedelfingen-Fans bei Vorträgen und Führungen ein stetig wachsendes Publikum mit ihren Geschichten über die Geschichte des vor hundert Jahren von Stuttgart eingemeindeten Neckarvororts. WILIH veröffentlicht hier eine Serie mit vielen interessanten Blicken auf die Historie Hedelfingens. In loser Folge wollen die Geschichten-über-Geschichte-Erzähler Seiler und Wießmeyer an dieser Stelle Lust auf Hedelfingen machen.

Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Fotos
Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Dokumenten

Thema dieser Folge: Mitten im Weg – Warum Hedelfingen ein neues Rathaus bekam

Mitten auf der Kreuzung der Esslinger Straße und der Mittelstraße stand das 1500 erbaute Rathaus, in dem alle Platz fanden: der Schultheiß, der Ratschreiber, eine Schulklasse, der Polizeidiener, der Kerker, die Gemeindekasse, das Standesamt. Es war die Engstelle zwischen Rathaus und Gasthaus Ochsen schlechthin. Die Fuhrwerke stauten sich, denn es war die Hauptverbindung nach Esslingen-Weil und nach Rohracker. 

Blick in die Bauzeitung des Jahres 1909
Am 2. Oktober 1909 wurde in der Bauzeitung über den Wettbewerb zum Neubau des Hedelfinger Rathauses berichtet

Die Mittelstraße (heute Heumadener Straße) führte nach Rohracker und in Richtung Lederberg. Sie beginnt an der Eßlinger Straße (heute Amstetter Straße) beim Rathaus und führte in südlicher Richtung zur Kelter- und Krämerstraße (heute Fruchtstraße und Heumadener Straße). 

Die Friedrichshafener Straße gab es damals noch nicht. Dort befanden sich die Gärten der umliegenden Häuser und des Gasthauses Ochsen. An der Stelle der Volksbank am Württemberg stand früher das renommierte Gasthaus Ochsen mit Saalbau und Kegelbahn im Garten. Ein „Kegelbub“ stellte die umgeworfenen Kegel wieder auf. Auch ein kleines Lebensmittelgeschäft gab es in dem Gebäude.

Man sprach von 3.000 Einwohnern zu dieser Zeit. Der Gemeinderat von Hedelfingen entschied, ein neues Rathaus zu bauen. Denn die Industrialisierung um 1900 lockte viele Arbeiter an. Erste Autos verstopften neben den Fuhrwerken diese Engstelle. Einige Architekten fertigten Entwürfe, die in der Bauzeitung für Württemberg veröffentlicht wurden. Schließlich entschied man sich für den Entwurf des Architekten Hornung aus Eßlingen.

Blick in die Bauzeitung des Jahres 1909
Entwurf des neuen Hedelfinger Rathauses in der Bauzeitung vom 2. Oktober 1909

Zuerst wurde das neue Rathaus gebaut, das Räume für den Schultheiß, sprich Bürgermeister, die Polizeiwache, Arrestlokale, Gemeindepflege, Eichamt, Zimmer für Assistenten, Gehilfen, Sitzungssaal, Grundbuchamt mit Aktenraum, Dienerzimmer, Bürgersaal und Raum für ein Feuerwehrmagazin vorsah. Danach wurde das alte Rathaus abgebrochen. Somit war Platz geschaffen für die neuen Aufgaben der Industrialisierung. Auf der Straße war nun Raum für den wachsenden Verkehr. Am 21. Dezember 1910 wurde das neue Rathaus und die Vorortbahn Stuttgart-Hedelfingen feierlich eingeweiht.

Nach der Eingemeindung von Hedelfingen nach Stuttgart wurde aus dem Rathaus das Bezirksrathaus. Aus dem Bürgermeister wurde der Bezirksvorsteher. Während des zweiten Weltkrieges war das Bezirksrathaus ausgelagert, und Hedelfingen wurde von Obertürkheim mit verwaltet. Die sicher geglaubten Archivunterlagen an einem sicheren Ort außerhalb von Stuttgart verbrannten dort im Bombenhagel. Nach dem Krieg wurden im Hedelfinger Rathaus eine Polizeiwache, der Bezirksvorsteher, Standesamt, Rentenstelle, Stadtkasse, Arbeitsamt, Gesundheitsamt, städtische Girokasse und die Meldestelle untergebracht. Die jüngste Renovierung fand in den Jahren 2021 bis 2022 statt. Ein Aufzug wurde eingebaut, um Barrierefreiheit zu garantieren. Nun erstrahlt das Haus in neuem Glanz.

WILIH dankt Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer für diese Geschichte. Die historischen Fotos und Dokumente stammen aus dem Fundus des Alten Hauses Hedelfingen.

Nächstes Thema dieser Serie: Die Bernhardskirche – und warum die Rohräcker an die Wangener eine jährliche Entschädigung zahlen mussten


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