Zwischen den Fronten – umkämpftes Hedelfingen

Lebendige Ortsgeschichte (Folge 20). Historisches aus und über Hedelfingen – unterhaltsam erklärt von Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer … Über Hedelfingen gibt es viel zu erzählen. Besonders gut und gerne tun dies der ehemalige Hedelfinger Bezirksvorsteher Hans-Peter Seiler und Hedelfingens Ortshistoriker Michael Wießmeyer. Seit Jahren begeistern die beiden Hedelfingen-Fans bei Vorträgen und Führungen ein stetig wachsendes Publikum mit ihren Geschichten über die Geschichte des vor gut hundert Jahren von Stuttgart eingemeindeten Neckarvororts. WILIH veröffentlicht hier eine Serie mit vielen interessanten Blicken auf die Historie Hedelfingens. In loser Folge wollen die Geschichten-über-Geschichte-Erzähler Seiler und Wießmeyer an dieser Stelle Lust auf Hedelfingen machen.

Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Fotos
Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Dokumenten

Thema dieser Folge: Zwischen den Fronten – Wie oft Hedelfingen umkämpft war

Bei der Ausmündung des Dürrbachtals am westlichen Rand des Neckartrichters breitete sich das ehemalige Haufendorf aus. Am Neckar führten die Handelswege entlang. Da blieb es nicht aus, dass die Herrscher der umliegenden Länder und bedeutender Städte ihren Besitz vergrößern wollten und immer wieder das Dorf Hedelfingen in den Blickpunkt rückte. Um aufzuzeigen, wie leicht man zwischen die Fronten geraten kann, gehen wir einmal rund 700 Jahre zurück.

Im Jahr 1331 schließen sich 22 schwäbische Reichsstädte, u.a. auch Esslingen, mit dem Bischof von Augsburg und den Wittelsbachern zusammen, um den Landfrieden im deutschen Südwesten zu sichern. Die starken Reichsstädte führten immer wieder Krieg, um ihren Einfluss zu erhalten. So gab es 1449 Krieg zwischen dem Grafen von Wirtemberg und Esslingen wegen Durchgangszollerhöhungen durch den Kaiser. Beliebter Kriegsort war auch Hedelfingen, was Brandschatzungen, Plünderungen und Zerstörungen nach sich zog. Die Alte Kirche wurde stark zerstört. Später, im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), verarmte die Bevölkerung. Auch in den Reunionskriegen Ludwigs XIX. von Frankreich wurde Hedelfingen heimgesucht. General Melac machte für mehrere Tage Quartier im Ort. Und das verhieß nichts Gutes. Denn: Die Truppen mussten von der örtlichen Bevölkerung untergebracht und verköstigt werden!

Plan von Hedelfingen um 1825Die Lage Hedelfingens zwischen der württembergischen Residenz Stuttgart und der Freien Reichsstadt Esslingen machte es wiederholt zum Kriegsschauplatz. Im 13. und 14. Jahrhundert kämpften die Truppen Rudolfs von Habsburg und von Kaiser Heinrich VII. in und um Hedelfingen. 1519, während der Auseinandersetzungen zwischen Herzog Ulrich und dem Schwäbischen Städtebund, wurde der Ort völlig niedergebrannt. Hedelfingen hatte damals rund 500 Einwohner. Während der Melac-Zeit und des Spanischen Erbfolgekrieges kam es 1674 und 1676 zu verheerenden Brandschatzungen.

In Mitteleuropa starb rund ein Drittel der Bevölkerung an Pest. Es entstand Hilflosigkeit und Massenhysterie. Hedelfingen wurde zweimal von der Pest heimgesucht (1584, 1611). Sie forderte so viele Opfer, dass der Friedhof um die Kirche zu klein wurde. 

Wandgemälde in der Alten Kirche HedelfingenDie Alte Kirche ist das ältestes Bauwerk im Ort. Es ist bis heute nicht unbedingt nachvollziehbar, warum dem kleinen Ort im 13. Jahrhundert die Ehre zuteil wurde, eine kleine Wehrkirche zu errichten, die auch noch so prächtig ausgemalt wurde. Erstaunlich ist vor allem die erneute, noch aufwendigere zweite Ausmalung der Kirche nach deren Teilzerstörung im Jahre 1449. Dieser von den Ausmaßen her bescheidene Bau lässt auf den ersten Blick nicht erahnen, dass er wegen seiner gemalten Innenausstattung „ein Kleinod gotischer Baukunst“ ist und deshalb „zu den schönsten Kirchenbauten im Stuttgarter Stadtgebiet“ gehört. Der einfache Bau besteht aus einem einschiffigen, hochmittelalterlichen Langhaus und einem spätgotischen Chor.

Die Frömmigkeit der Bürger und die Gefahren um 1250 führten zu vermehrter Bautätigkeit, um Schutzraum zu schaffen. Hinter die wehrhaften Mauern, die auch die Hedelfinger Kirche umgeben, konnten sich die Dorfbewohner zurückziehen. Alle konnten in der Kirche unterkommen, sogar ihr Vieh hatte um die Kirche herum Platz.

1360 wurde die Hedelfinger Kirche erstmals als eigenständige Kirchengemeinde im Konstanzer Einkommensregister, also in dem auch für dieses Dorf zuständigen Bistum, genannt. Kirchlich war Hedelfingen ursprünglich Filiale von Nellingen im heutigen Landkreis Esslingen. Die dortige Propstei hatte den Kirchensitz in der nach 1300 gebildeten Pfarrei Hedelfingen, von der sie Württemberg 1649 im Tausch erwarb.

So ist das Schicksal der Hadulvinger bis hin zu den Hedelfingern von heute durch die Gewalt Dritter geprägt, oft ohne Rücksicht auf die Interessen der Betroffenen. 

Hoffen wir, dass der derzeitige Frieden noch lange erhalten bleibt und wir nicht mehr zwischen die Fronten geraten!

WILIH dankt Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer für diese Geschichte. Die historischen Fotos und Dokumente stammen aus dem Fundus des Alten Hauses Hedelfingen.

Nächstes Thema dieser Serie: Die Schulgeschichte von Hedelfingen und Rohracker (in 2 Teilen)


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