Bezirksbudget ist zum Bürokratiemonster geworden

Stuttgart-Hedelfingen/Sillenbuch/Wangen … Seit 2018 haben die Stadtbezirke ein Budget, über das sie selber verfügen dürfen. Riesig ist es nicht, doch etliche Tausend Euro im Jahr dürfen die Bezirksbeiräte für die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements vor Ort bewilligen. 2023 hat die Stadt rückwirkend die Richtlinien geändert, wohl um sie rechtssicherer zu machen. Doch was dabei herauskam, ist ein Bürokratiemonster. Deshalb verlangen die Bezirksbeiräte im WILIH-Land jetzt eine Vereinfachung des Antragsverfahrens und des Berichtswesens.

1,31 Millionen Euro werden seit 2023 jährlich auf die 23 Stuttgarter Stadtbezirke verteilt. 10.000 Euro erhält jeder Bezirk als Sockel, macht zusammen 230.000 Euro. Die restlichen 1,08 Millionen Euro werden den Bezirken – abhängig von der örtlichen Einwohnerzahl – zur Verfügung gestellt. Der Stadtbezirk Hedelfingen kommt so für 2024 auf insgesamt 28.275 Euro im Jahr, Sillenbuch kann über 52.079 Euro verfügen, und Wangen hat 26.395 Euro zu vergeben.

In ihren Januarsitzungen haben die Stadtbezirksparlamente in Hedelfingen (16.1.2024), Sillenbuch (24.1.2024) und Wangen (29.1.2024) geschlossen eine Entbürokratisierung gefordert – angeregt durch eine Initiative aus Stammheim. Es sind vor allem drei Probleme, auf die die Bezirksbeiräte aufmerksam machen: Erstens tun sich viele Antragsteller schwer mit dem Ausfüllen des Antragsformulars und machen deshalb Fehler. Dies – zum Zweiten – führt zu erheblichem Korrekturaufwand in den Bezirksämtern, was deren ohnehin schon knappe Ressourcen unnötig belastet. Und drittens werden durch das komplizierte Verfahren Projekte gefährdet – denn für niedrige dreistellige Euro-Beträge mag nicht jeder ein paar Stunden lang Formulare ausfüllen.

In der Tat ist das Verfahren sehr bürokratisch geworden. So umfasst das Antragformular seit 2023 sechs Seiten (hier) plus eine einseitige Anlage zum Kosten- und Finanzierungsplan, in dem auch zu erklären ist, ob und – falls ja – welche anderen Zuschüsse bereits beantragt wurden. Einzureichen sind Anträge beim zuständigen Bezirksamt, der Bezirksvorsteher setzt sie auf die Tagesordnung der nächsterreichbaren Bezirksbeiratssitzung, in der der Bezirksbeirat über die Mittelvergabe beschließt. Und nach Beendigung des Projekts – beispielsweise eines Stadtteilfestes oder einer Vereinsveranstaltung – ist ein Verwendungsnachweis auszufüllen, in dem Einnahmen und Ausgaben auf insgesamt vier Seiten genau nachzuweisen sind, bevor das Geld fließen kann. Die Anträge lassen sich zwar online ausfüllen, doch selbst geübte Antragsteller machen dabei Fehler und müssen im dümmsten Falle alles noch einmal von vorne ausfüllen.

Belastend ist für viele Antragsteller auch die strenge Regel, dass nur gefördert werden kann, was vor Projektbeginn und möglichst betragsgenau beantragt wird. Das führt mitunter zu abstrusen Ergebnissen und Frust bei den Antragstellern. Die Beseitigung von Sturmschäden auf einem Vereinsgelände beispielsweise kann nicht bezuschusst werden, wenn sie nicht rechtzeitig – womit natürlich nicht gemeint ist, bereits vor der Sturm, zumindest aber vor Beginn der Reparaturarbeiten – beantragt beziehungsweise vom zuständigen Bezirksbeirat beschlossen wurde. Die Reparatur der in der Neujahrsnacht demolierten Bücherboxen am Wangener Marktplatz lässt nur deshalb immer noch auf sich warten, weil erst am 29. Januar 2024 wieder eine Sitzung des Bezirksbeirats Wangen stattfand, in der 300 Euro für neue Glasscheiben bewilligt werden konnten.

Verwirrend sind mitunter auch die Kriterien für die Bezuschussung von Anschaffungen. So lief zum Beispiel der Waldheimverein Hedelfingen zunächst mit einem Antrag auf Bezuschussung einer Teigknetmaschine für seine Backabteilung vor die Wand – während zum fraglichen Zeitpunkt etwa Tischkicker oder Spülmaschinen in Stuttgart wohl schon als förderungswürdig galten. Nach einer Klärung wurde der Hedelfinger Antrag noch einmal neu eingereicht. Ein öffentlich zugänglicher Defibrillator am Bürgerhaus Alte Schule in Rohracker wiederum scheint die betreffenden Kriterien nicht zu erfüllen. Wenn das so bleibt, wird es wohl keinen geben.

Dies alles ist schwierig zu verstehen, vor allem für Ehrenamtliche, die vielleicht sogar in ihrem Leben zum ersten Mal einen solchen Antrag stellen. Andererseits muss man auch Verständnis für die Stadtverwaltung haben, dass sie an die Vergabe von Steuergeldern – und um die handelt es sich schließlich – strenge und für alle gleichermaßen geltende Maßstäbe anlegt.

Doch die seit einem Jahr gemachten Erfahrungen legen nun eine Reform nahe. Ob sich das Antragsformular tatsächlich von sechs Seiten auf – wie von einigen gewünscht, weil es früher in Stammheim wohl so war – eine einzige Seite verkürzen und somit stadtweit auch eine Menge Papier einsparen ließe, ist offen. Ebenso wie die Frage, ob man zur Entbürokratisierung den Bezirksvorstehern mehr Verantwortung für die Allokation der Bezirksmittel übertragen könnte. So wie bisher könne es jedenfalls nicht weitergehen, hoffen die Bezirksbeiräte von Hedelfingen, Sillenbuch und Wangen auf eine adäquate Reaktion auf ihre jetzigen Anträge.


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