Frischlufthalle – vom Notnagel zum Finanzbaustein

Stuttgart-Hedelfingen/Wangen … In den Neubau eines Vereinszentrums bei der SportKultur Stuttgart soll eine 600.000 Euro teure Frischlufthalle integriert werden. Die Stadt Stuttgart erhöht dafür ihre Förderung des Vereinsprojekts von 2,4 auf drei Millionen Euro – zuzüglich bereits geflossener 200.000 Euro für die Planung. Der Verwaltungsausschuss des Stuttgarter Gemeinderats soll dies am 19. Juli beschließen. Die Bezirksbeiräte in Wangen – am 17. Juli – und in Hedelfingen – am 25. Juli – sollen es zur Kenntnis nehmen.

Investition jetzt bei knapp sieben Millionen Euro

Die betreffende Beschlussvorlage (GRDrs 626/2023) wurde heute (14.7.2023) auf der Webseite der Stadt Stuttgart veröffentlicht (PDF: hier). Darin wird das Bauvorhaben noch einmal kurz beschrieben. Die Herstellung einer von den Bezirksbeiräten gewünschten Calisthenics-Anlage wird zwar angekündigt – allerdings mit dem Adjektiv „perspektivisch” versehen. Das dürfte bedeuten: irgendwann später.

Das Sportvereinszentrum soll nach jetziger Angabe der Stadt Stuttgart („Stand 2023”) 6.932.100 Euro kosten. Laut Stadtverwaltung trägt der Verein einschließlich Darlehen 3.334.140 Euro zu den Kosten bei. Neben den 3,2 Millionen Euro von der Stadt Stuttgart sollen noch Fördermittel des Württembergischen Landessportbunds (WLSB) in Höhe von 397.960 Euro zur Kostendeckung hinzukommen. Bewilligt seien die WLSB-Mittel aber noch nicht, schreibt die Stadt, zeigt sich aber optimistisch.

Frischlufthalle für Hedelfingen gestrichen?

Gedeckt werden sollen die 600.000 Euro für die Integration einer Frischlufthalle in das Obergeschoss des Wangener Sportvereinszentrums durch „Einsparungen in gleicher Höhe”. Und zwar so: Die vom Stuttgarter Gemeinderat 2021 in dieser Höhe für eine Frischlufthalle in Hedelfingen bewilligten Mittel sollen jetzt der Förderung des Sportvereinszentrums in Wangen zugeschlagen werden.

Das vor ziemlich genau acht Jahren von der SportKultur ins Gespräch gebrachte Sportvereinszentrum – laut einer damaligen Machbarkeitsstudie zunächst für die „Festwiese” neben der Turn- und Versammlungshalle Hedelfingen angedacht – ist über die Jahre immer teurer geworden. Seit 2017 kursierten Schätzungen von vier bis fünf Millionen Euro. Noch Ende 2021 waren gegenüber dem Gemeinderat vier Millionen Euro im Gespräch, damals allerdings schon um weitere zwei Millionen Euro für Arbeiten an Bestandsgebäuden des Vereins erweitert – in Summe sechs Millionen Euro.

Wohin mit Geld, das nicht gebraucht wird?

Dass das Investitionsvolumen sich nun den sieben Millionen Euro nähert, ist aber nicht darauf zurückzuführen, dass das Sportvereinszentrum jetzt unbedingt um eine Frischlufthalle zu ergänzen ist. Eine solche Halle stand für Wangen nie zur Diskussion. Sie kam 2021 als Notnagel ins Gespräch. Weil die Gefahr gesehen wurde, dass mehrere Sporthallen in den oberen Neckarvororten gleichzeitig ersetzt oder saniert werden und dadurch die Kapazitäten für Schul- und Vereinssport knapp werden könnten, ersann man eine Interimslösung in Form einer Frischlufthalle.

Da Hedelfingen durch einen Neubau seiner Turn- und Versammlungshalle und Rohracker durch eine Sanierung der Tiefenbachhalle besonders stark betroffen sein sollte, bewilligte der Stuttgarter Gemeinderat 600.000 Euro für eine „Frischlufthalle Hedelfingen”. Inzwischen ist bekannt, dass bis zum Hallenneubau in Hedelfingen und bis zu einer Hallensanierung in Rohracker noch Jahre ins Land gehen werden. Für ein Hedelfinger Interim gibt es daher erst mal keinen Bedarf.

Mit den Wangener Bauplänen der SportKultur Stuttgart hatte die Notlösung „Frischlufthalle” zwar ursprünglich nichts zu tun. Durch die neue Situation brachte sie aber frischen Wind in die Finanzierung des Sportvereinszentrums: Mit dem vom Gemeinderat – für Hedelfingen – bewilligten 600.000 Euro-Zuschuss ist gegen Ende 2022 auch die damit zu finanzierende Frischlufthalle in die Baupläne der SportKultur „umgezogen”. Die Bezirksbeiräte in Hedelfingen und Wangen wurden davon überrascht.

Wangener Frischlufthalle für Schulsport ungeeignet

In einer Planskizze der SportKultur aus dem März 2018 war von einer solchen Dach-Halle nicht die Rede. Der Sportverein plante damals eine 200 Quadratmeter große Sporthalle sowie zwei Kursräume mit 100 und 150 Quadratmetern – mit Lagerflächen von zusammen 130 Quadratmetern. Raumbedarf von weiteren rund 800 Quadratmetern wurde seinerzeit gesehen für eine Bewegungslandschaft, Trainingsflächen, Sanitärräume, Verwaltungs- und Büroräume sowie einen Tagungsraum.

Ihren gesamten Flächenbedarf schätzte die SportKultur Stuttgart 2018 auf 1.028 Quadratmeter – ohne Frischlufthalle. Die Stadt Stuttgart spricht jetzt von einer Grundfläche von 923 Quadratmetern in zweigeschossiger Flachdachbauweise – mit Frischlufthalle. Die Fläche der Frischlufthalle wird vom Verein mit 305 Quadratmetern beziffert. Über den Zweck dieser Sportfläche wurde bislang nichts Konkretes bekannt. Für Schulsport eignet sie sich allerdings nicht, sagt die SportKultur.

Keine Tiefgarage – Kleinspielfeld wird verschenkt

Geändert hat sich auch die Parkplatzplanung: Es soll nur noch oberirdische Stellplätze geben und keine Tiefgarage mehr, die SportKultur-Vorsitzender Ulrich Strobel in einem Kommentar zum Bürgerhaushalt im März 2019 noch so angekündigt hatte: „Die Parkfläche fällt nicht weg, sondern wird unter dem neuen Gebäude geplant.” Und auch das DFB-Kleinspielfeld soll nicht mehr aufs Dach des neuen Zentrums kommen, wie Strobel damals spekulierte („Das Minispielfeld könnte auf das Dach verlegt werden.”). Es wird verschenkt. Bei der Bürgerwerkstatt am 12. Juli bot SportKultur-Vorständin Beate Dietrich es bereits für das Projekt „Wangen macht Welle” als Vereinsspende an. Ob sich dieser Vorschlag zeitlich und räumlich umsetzen ließe, ist offen.

Überdurchschnittlicher Mitgliederschwund bei der SportKultur

In den vergangenen Jahren hat der Sportverein übrigens um die 500 Mitglieder verloren. Vor der Coronakrise waren in der Spitze über 3.000 Menschen Mitglied bei der SportKultur. In der jetzigen Beschlussvorlage berichtet die Stadt Stuttgart für den Jahresanfang 2023 von 2.550 Mitgliedern. Ein überdurchschnittliches Minus: Während die im WLSB organisierten Vereine von 2020 bis 2022 rund 2,7 Prozent ihrer Mitglieder verloren haben, waren es bei der SportKultur rund 16 Prozent. Bis 2023 verzeichnet der WLSB sogar wieder etwas mehr Mitglieder als vor dem Coronaknick. Das Risiko, das Ulrich Strobel vor fünf Jahren und bei damals noch vier bis fünf Millionen Euro Investitionssumme auf den Verein zukommen sah, dürfte daher heute kaum geringer einzuschätzen sein.

Foto: Blick von der Hedelfinger Straße auf das Vereinsgelände der SportKultur Stuttgart. Hinter der Schuttmulde ist das zu entfernende Minispielfeld zu sehen.


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